Es ist viel passiert!

In unserer vielfältigen Problemwahrnehmung geht gerne auch unter, dass viel passiert. Auch Gutes!

Gerade 2025 war ein Jahr, in dem viele Aktivitäten Fahrt aufgenommen haben, Stichwort Nationale Forschungsdekade. Da die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS das wunderbar zusammengefasst hat, möchte ich gerne auf diese Meldung verweisen:

Liebe Unterstützer*innen und Interessierte,

ein ereignisreiches Jahr mit vielen wichtigen Entwicklungen und großen Anstrengungen geht zu Ende. In unserem Jahresrückblick rekapitulieren wir die Highlights des Jahres 2025 und informieren Sie über den Stand unserer aktuellen Projekte.

 

Engagement Betroffener und politischer Wille ebnen Weg für Forschungsdekade 

Politisch hat sich in diesem Jahr in Hinblick auf die wichtigen Themen Anerkennung und Forschungsförderung von ME/CFS viel bewegt.

Durch den Regierungswechsel standen wir am Anfang des Jahres vor der Aufgabe, erneut Appelle an die regierungsbildenden Parteien der Koalitionsverhandlungen zu richten. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS (DG.ME/CFS) untermauerte diese gemeinsam mit Long COVID Deutschland mit einem ausführlichen Maßnahmenkatalog zur Veranschaulichung der aus Sicht der Betroffenen erforderlichen nächsten Schritte. Im Koalitionsvertrag 2025 wurden ME/CFS und Long COVID thematisiert, jedoch war noch nicht klar, welche Maßnahmen von der neuen Regierung tatsächlich angegangen würden.

Im Mai rief die Initiative „Community4ME“ unter dem Motto #Fight4ME zu einer Postkartenkampagne auf, die sich an die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und Forschungsministerin Dorothee Bär richtete. Die Ministerinnen zeigten sich von der Aktion sehr bewegt und reagierten in den Sozialen Medien mit einer Botschaft an die Betroffenen, in der sie versprachen, schnelle und nachhaltige Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation der Menschen mit ME/CFS und Long COVID zu entwickeln und umzusetzen. Dabei signalisierten sie die Absicht einer engen Zusammenarbeit der beiden Ministerien im Interesse der Betroffenen. Dorothee Bär hatte bereits im Mai zum Internationalen ME/CFS-Aktionstag angekündigt, das Thema gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) anzugehen.

Im Herbst nahmen die Entwicklungen erneut Fahrt auf: Im Vorfeld der Verabschiedung des Bundeshaushalts wurden Expert*innen und Betroffenenverbände zu einem Fachgespräch des Gesundheitsausschusses zu postviralen Erkrankungen geladen, an dem auch Sebastian Musch für die DG.ME/CFS teilnahm. Zeitnah fand ein Austausch im BMG mit Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen (Leiterin des Charité Fatigue Centrum und Vorsitzende des Ärztlichen Beirats der DG.ME/CFS) und Jörg Heydecke von der ME/CFS Research Foundation statt.

Im November folgte eine Sensation: Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) verkündete die „Nationale Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen“, federführend konzipiert von Prof. Karl Lauterbach (SPD) und Stephan Albani (CDU), für die erstmals eine langfristige Forschungsförderung im Bundeshaushalt festgeschrieben wird. Die Fördermittel sollen nach Aussage des Ministeriums in den nächsten 10 Jahren jährlich 50 Mio. Euro betragen.

Wenige Tage nach der Ankündigung der Forschungsdekade kamen Vertreter*innen der Patient*innenorganisationen gemeinsam mit weiteren Akteur*innen aus Politik und Medizin zum Auftakttreffen des neuen, gemeinsamen Austauschformats „Allianz postinfektiöse Erkrankungen: Long COVID und ME/CFS“ des BMG und BMFTR zusammen. Die Ministerinnen betonten die Notwendigkeit der Einbeziehung von Patient*innenorganisationen in den weiteren Prozess – ein wichtiges Signal für Betroffene. Der Vorsitzende der DG.ME/CFS Sebastian Musch hat ebenfalls am Auftaktgespräch teilgenommen und eindrücklich die Chancen und Herausforderungen der vor uns liegenden Dekade dargelegt.

 

Praxisleitfaden, Versorgungsforschung und neue Netzwerke

2025 verstärkten sich neben der politischen und medialen Aufmerksamkeit ebenfalls die Anstrengungen zur Errichtung einer Versorgungsstruktur und die Weiterbildung von medizinischem Personal.

Mit der Erstellung des Praxisleitfadens ME/CFS hat die DG.ME/CFS in diesem Jahr ein aufwendiges Projekt abgeschlossen, das Ärzt*innen die Versorgung Betroffener im Praxisalltag durch leicht zugängliche, kompakte und übersichtliche Informationen erleichtert. Ziel ist es, vor allem praxisrelevante Informationen zusammenzuführen und diese kostenlos praktizierenden Ärzt*innen zur Verfügung zu stellen.

Eine aktuelle ärztliche Fortbildung konnte in diesem Jahr erneut viele Ärzt*innen und weitere Interessierte aus der Versorgung erreichen. Erstmalig erfolgte die Fortbildung in zwei Modulen, um sowohl Basiskenntnisse zur praktischen Versorgung als auch aktuelle Forschungsergebnisse ausreichend zu adressieren.

Aber auch an externen Projekten konnte mitgewirkt werden. So hat die DG.ME/CFS an der Erstellung eines Qualitätszirkelmoduls zur Fortbildung von Ärzt*innen bzgl. ME/CFS und Long COVID der KBV aktiv mitarbeiten können.

In diesem Jahr sind zudem 30 Versorgungsforschungsprojekte zu Long COVID angelaufen, die durch das BMG mit 73 Millionen Euro für ca. drei bis vier Jahre gefördert werden. Die initiierten Projekte setzen wichtige Impulse, um die Versorgung von Long-COVID-Patient*innen und Betroffenen von ME/CFS in Deutschland zu verbessern. Mit dem Projekt PEDNET-LC wurde begonnen, ein bundesweites Versorgungsnetzwerk speziell für Kinder und Jugendliche mit Long COVID und ähnlichen Erkrankungen zu etablieren, darunter auch ME/CFS nach anderen Auslösern. Bettina und Tilman Grande gründeten das „Psychotherapie Netzwerk ME/CFS“, das Psychotherapeut*innen in der krankheitsgerechten, begleitenden Versorgung ME/CFS-Betroffener unterstützt.

Mehrere Fachveranstaltungen wie die Hybride Fachtagung des Fatigatio e. V., die dritte internationale ME/CFS-Konferenz und das Symposium 2025 der ME/CFS Research Foundation informierten auch 2025 wieder über aktuelle Forschungsergebnisse und Versorgungsmöglichkeiten.

Forschungsförderung der DG.ME/CFS

Die DG.ME/CFS fördert erneut kleinere explorative Studien und Pilotstudien mit je 25.000 Euro. In diesem Jahr sind zwei Studien gestartet. Die erste Studie untersucht, welchen Einfluss Faktoren aus dem Blut Betroffener auf Nerven- und Immunzellen des zentralen Nervensystems haben. Die zweite Studie widmet sich der Diagnostik von ME/CFS und untersucht, wie Netzhautveränderungen dafür herangezogen werden könnten. Die Förderung weiterer Projekte ist auch für das kommende Jahr geplant. Aktuell findet die Bewertung der im November eingegangenen Anträge statt. Wir sind erfreut über die steigende Zahl qualitativ hochwertiger Anträge.

Ein weiter Schwerpunkt zur Förderung vielversprechender Forschung liegt auf der Begleitung von Projekten und der Beratung von Forschenden. So ist die DG.ME/CFS in verschiedenen Patient*innenbeiräten kürzlich angelaufener Studien vertreten, z. B. im Rahmen der Versorgungsforschungsprojekte des BMG oder den Projekten zur Erforschung der Pathomechanismen von ME/CFS, gefördert durch das BMFTR. Außerdem beraten wir Forschungsteams regelmäßig bei der Konzeption und Antragstellung für vielversprechende Projekte. Wir weisen auf bekannte methodische Fallstricke hin und bringen die Betroffenenperspektive ein, um die Forschung näher an den Bedürfnissen Betroffener auszurichten.

ME/CFS in der Öffentlichkeit

Das mediale Interesse an ME/CFS nimmt weiter zu. Was bereits in den letzten Jahren seit Beginn der Pandemie zu verzeichnen war, hat 2025 einen neuen Höhepunkt erreicht, wie auch Google Trends zeigt. Die DG.ME/CFS erreichten auch in diesem Jahr wieder viele Anfragen von Journalist*innen, die über verschiedene Aspekte des Themas in unterschiedlichen Medien und Formaten berichteten. Wir haben Hintergrundgespräche geführt, Interviewpartner*innen vermittelt und Informationen bereitgestellt.

Des Weiteren verfolgen immer zahlreichere ME/CFS-Organisationen und -Initiativen viele unterschiedliche Ansätze, um auf die katastrophale Situation der Betroffenen aufmerksam zu machen und ein breiteres öffentliches Bewusstsein für den dringenden Handlungsbedarf zu wecken. Auch in diesem Jahr gab es zahlreiche Aktionen mit Demonstrationen in vielen Städten und Spendenevents, die von engagierten Freiwilligen an den offiziellen Aktionstagen und darüber hinaus über das ganze Jahr zu vielen weiteren Anlässen organisiert wurden.

Das Informationsangebot auf der Webseite der DG.ME/CFS wird stetig erweitert. Die steigende Zahl der Webseitenbesuche im Vergleich zum Vorjahr (1.318.020 Aufrufe im Jahr 2025, Stand 15.12.2025) zeigt ebenfalls, dass die Aufmerksamkeit für ME/CFS weiter zunimmt.

Fazit

Insgesamt ist die derzeitige Entwicklung erfreulich. Die Verkündung der „Nationalen Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen“ ist ein Meilenstein in der Geschichte von ME/CFS und zeigt zusammen mit dem Auftakt zur „Allianz postinfektiöse Erkrankungen“ klar vorhandenen politischen Willen, der an die Arbeit der Vorgängerregierung mit den Runden Tischen anschließt. Zusammen mit dem wiederholten Bekenntnis der beiden Ministerinnen, das drängende Thema anzugehen, ist dies ein wichtiges Signal auch an die breitere Öffentlichkeit sowie an Ärzt*innen und Versorgungssysteme, ME/CFS und ähnliche Erkrankungen nicht länger zu ignorieren und gemeinsam den Aufbau einer der Schwere und Häufigkeit der Krankheit angemessenen Versorgungsstruktur mit Spezialambulanzen ernsthaft in Angriff zu nehmen. Flankierend zur Forschungsförderung und zu Anlaufstellen braucht es weiterhin eine breite Aufklärungskampagne, um die fortbestehenden Hindernisse in der Versorgung der Betroffenen zu überwinden und Stigmatisierung zu beenden.

Es gilt jetzt, den Schwung zu nutzen und die Umsetzung der Studienförderungen zielgerichtet und am tatsächlichen Bedarf der Betroffenen orientiert voranzutreiben. Wir sehen es darüber hinaus als unsere Aufgabe, uns mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die dringend benötigte Versorgung schnellstmöglich bei den Betroffenen ankommt und durch die Ankündigung von Forschungsförderung nicht aus dem Blick der Verantwortlichen gerät.

Im nächsten Jahr erwarten uns viele Herausforderungen, die wir mit all unserer Kraft angehen werden. Dabei leitet uns stets das Wissen, dass die Not der Betroffenen unverändert groß ist. Wir wünschen uns, dass die Anerkennung und eine umfassende Versorgung von ME/CFS ungeachtet des Auslösers selbstverständlich werden.

Fürs neue Jahr wünschen wir Ihnen alles Gute und natürlich insbesondere Gesundheit!

Vielen Dank für Ihre Unterstützung und herzliche Grüße

das Team der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS