Long Covid – Post Covid – ME/CFS

Das alte Leben ist vorbei

Viele von uns verlieren durch die Krankheit ihr bisheriges Leben, wir können nicht mehr aktiv sein, im Job arbeiten oder unseren Hobbies nachgehen. Nicht selten droht die zu frühe Rente und finanzielle Unsicherheit. Neben diesen Einschränkungen treffen viele von uns auf Unverständnis selbst bei Ärzt*innen, müssen um die Diagnose kämpfen und verbrauchen die wenige verfügbare Energie mit Behördenkämpfen. Diese Belastung zehrt an den Nerven und kann die Heilung behindern. Welche sowieso sehr wackelig ist, es gibt keine spezifischen Medikamente, selbst die Diagnose ist oft nur als Ausschlussdiagnose aufgrund der Symptome möglich, eindeutige Biomarker (Laborwerte) fehlen oder werden nur im Rahmen von Studien erfasst. Egal wie wir es nennen, es kann das plötzliche Aus des bisherigen Lebens bedeuten!

Auf dieser Seite gibt es ein wenig allgemeinen Hintergrund. Da sich der Stand der Forschung zum Glück weiterentwickelt sind hier nur allgemeine Erklärungen zu finden. Aktuelles zu Forschung, Therapie, Events etc. sind im Bereich News zu finden.

Eine Person sitzt alleine in einem Raum blickt nach außen zu Menschen im Park die Spaß haben
Eine Person liegt mit Augenbilde und Gehörschutz im Bett

Long Covid und die vielen Namen

Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend steht Long Covid hier als Sammelbegriff. Vereinfachend lässt sich sagen, dass Long Covid auf anhaltende Symptome vier Wochen nach der Infektion hinweist, während der Begriff Post Covid auf bestehende Gesundheitsprobleme angewendet wird, die länger als drei Monate bestehen bleiben. Weitere Begriffe sind Postakute sequelae von SARS-CoV-2-Infektion (PASC) oder Post-COVID-Syndrom.

Die Gründe für Long Covid sind noch nicht eindeutig geklärt. Da unterschiedliche Pathologien bei Long Covid-Patient*innen nachgewiesen sind liegt die Vermutung nahe, dass es unterschiedliche Mechanismen gibt.

Ein Sonderfall sind die Menschen, die nach der Impfung Beschwerden entwickeln, die sehr ähnlich oder analog sind zu denen, die nach einer Infektion entstanden. Diese auch „Post-Vac“ (kurz für englisch „post vaccination“) genannten Fälle sind in dem hier genutzten Sammelbegriff Long Covid inkludiert. Eine Diskussion über die Impfung an sich wird auf dieser Seite nicht geführt.

Das Robert Koch Institut definiert Long Covid wie folgt:

Im Zusammenhang mit einer vorangegangenen SARS-CoV-2-Infektion sind verschiedene gesundheitliche Langzeitfolgen beobachtet worden, die unter dem Begriff „Long COVID“ zusammengefasst werden.

Nach bisherigen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass es sich bei Long COVID nicht um ein einheitliches Krankheitsbild handelt, sondern um verschiedene mögliche gesundheitliche Langzeitfolgen nach einer vorangegangenen SARS-CoV-2-Infektion. Diese können unterschiedliche Organsysteme betreffen, unterschiedliche Beschwerden verursachen und auch unterschiedliche Ursachen haben.

Zu den möglichen gesundheitlichen Langzeitfolgen zählt eine Vielfalt körperlicher, kognitiver und psychischer Symptome, welche die Funktionsfähigkeit im Alltag und Lebensqualität negativ beeinflussen. Die Beeinträchtigungen treten entweder bereits in der akuten Erkrankungsphase auf und bleiben längerfristig bestehen, oder sie treten im Verlauf von Wochen und Monaten nach der Infektion (wieder) auf. Dabei wird über sehr unterschiedliche Symptome berichtet, die allein oder auch in Kombination auftreten und von sehr unterschiedlicher Dauer sein können.

Robert Koch Institut

ME/CFS

Eine chronische, schwere Form von Long Covid ist die ME/CFS:

Die Myalgische Enzephalitis bzw. das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist durch eine chronische, über mindestens sechs Monate anhaltende extreme Erschöpfung und eine ausgeprägte Belastungsintoleranz gekennzeichnet. Die Symptome verstärken sich bereits durch alltägliche Anstrengungen. Die Ursachen sind nicht vollständig geklärt, Auslöser sind aber meist Infektionskrankheiten. Auch bei einem Teil der von Post-COVID Betroffenen können sich Symptome einer postinfektiösen ME/CFS entwickeln.

gesund.bund.de: Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS)

ME/CFS ist schwer zu diagnostizieren, es fehlen wie bei Long Covid eindeutige Biomarker. Die ME/CFS Community ist schon lange mit dem Problem vertraut, nicht als „echte“ medizinische Fälle anerkannt zu werden. Viele von unseren Erfolgen in Long Covid fußen auf der Arbeit der ME/CFS Szene. Long Covid ist nun in aller Munde (naja), schon lange vor der Pandemie waren ME/CFS Betroffene massiv und teilweise verzweifelt am Kämpfen um ihre Anerkennung. Von dieser Vorarbeit profitiert Long Covid nun!

Crash / PEM

Ein Kernsymptom von ME/CFS ist jedoch immer vorhanden, die Post-Exertionelle Malaise (PEM). Bei Betroffenen Crash genannt. Auch hier gebe ich das Wort ab:

Post-Exertionelle Malaise (kurz: PEM) bedeutet die Verschlechterung der Symptomatik nach geringfügiger körperlicher und/oder geistiger Anstrengung. PEM tritt unmittelbar nach einer ausgeführten Aktivität oder mit einer Latenz von ca. 12 bis 48 Stunden danach auf und kann für mehrere Tage oder Wochen anhalten oder zu einer dauerhaften Zustandsverschlechterung führen. Für eine ME/CFS-Diagnose wird gefordert, dass PEM mindestens noch am Folgetag besteht. In der deutschen Fachsprache wird Post-Exertionelle Malaise auch als postexertionelle Malaise oder Belastungsintoleranz bezeichnet.

Die Verschlimmerung der bestehenden Symptomatik und/oder das Auftreten neuer Symptome geht meist mit einem rapiden Abfall des Leistungs- und Aktivitätsniveaus einher. ME/CFS-Betroffene bezeichnen PEM auch als „Crash“ und beschreiben den Zustand mitunter so, als hätte man zugleich eine Grippe, einen Kater und einen Jetlag.

Antrieb und Motivation sind bei ME/CFS-Erkrankten in der Regel unvermindert. Doch sowohl körperliche als auch rein kognitive Aktivitäten oder Emotionen können PEM bewirken. Dies trifft auf negative und stressvolle ebenso wie positive und freudvolle Aktivitäten und emotionale Ereignisse zu.

mecfs.de/was-ist-me-cfs/pem/

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Therapie

Dieser Abschnitt fällt nicht einfach. Denn momentan ist die einzige nachgewiesen funktionierende Therapie das Pacing. Deswegen gibt es zum Pacing den hierauf folgenden Abschnitt.

Und daher gibt es hier auch nur einen allgemeinen Text zu Therapien. Nicht nur ändert sich der Stand der Forschung beständig, sondern es zeigt sich zunehmend, dass verschiedene Ursachen existieren und es wahrscheinlich EIN Long Covid so gar nicht nicht gibt.

Das gleiche gilt für Nahrungsergänzungsmittel, Off-Label Anwendungen (Anwendung z.B. eines zugelassenen Medikaments aber nicht für die zugelassene Indikation) und alle weiteren Heilungsansätze – was für die Eine funktionieren mag, ist für den Anderen völlig wirkungslos. Deswegen gibt es hier keine konkreten Hinweise auf Therapien, sorry! Denn solange noch nicht mal die krank machenden Mechanismen eindeutig verstanden sind, sind auch zielgerichtete Therapien nicht zu erwarten.

Es gibt natürlich eine Menge Ansätze, die Symptome zu lindern oder auch eine Heilung anzustreben. Viele von uns sind verzweifelt, wir greifen nach jedem Strohhalm! Verschiedene bestehende Anwendungen und Medikamente können in Off-Label Use angewendet werden. Lindernde Anwendungungen sind für viele Betroffene alles was der Entspannung dient und das Nervensystem, im speziellen den Vagusnerv beruhigt.

Für Details zu Therapien sind als Start eventuell die entsprechenden Netzwerke hilfreich. Weiterhin sind neuere Therapieansätze unter den News zu finden. Ein etwas historisches Dokument ist diese Sammlung von Long Covid-Ressourcen – der Vorläufer dieser Webseite. Hier sind auch persönliche Erfahrungen verzeichnet.

Pacing

Pacing ist momentan die einzige wirksame Therapie!
Wieder mal lasse ich andere das auf den Punkt bringen:

Im Rahmen von ME/CFS bezeichnet der Begriff ‚Pacing‛ die Einhaltung der durch die Erkrankung vorgegebenen individuellen Belastungsgrenzen durch Aktivitäts- und Energiemanagement.

Deutsche Gesellschaft für ME/CFS

Energiemanagement [= Pacing] hilft Menschen mit ME/CFS zu lernen, die ihnen zur Verfügung stehende Energiemenge zu nutzen und gleichzeitig das Risiko von Post-Exertioneller Malaise oder einer Verschlimmerung der Symptome durch Überschreitung ihrer Grenzen zu verringern.
Britische Gesundheitsbehörde NICE ME/CFS-Leitline

Pacing visuell erklärt
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Einfach chillen? Von wegen!

Pacing ist (vergleichsweise) einfach, wenn eine akute PEM besteht oder generell die Fatigue im Vordergrund steht. Dann ist eh keine Anstrengung möglich.

Schwierig wird es, wenn mensch sich gut fühlt. Aufstehen an einem Tag, an dem sich der Körper fitter als sonst anfühlt, die aufkeimende Hoffnung „vielleicht ist es ja doch endlich vorbei“, und dann trotzdem weiter pacen…

Das heißt immer wieder Pausen machen, auch wenn kein Bedürfnis danach besteht. Trotz Fitness auf keinen Fall (!) all die liegengebliebenen Sachen erledigen und abends mal ein Kino probieren. Hier fängt die psychische Belastung an, der ständige Drahtseilakt zwischen vorsichtiger Aktivierung und Überlastung zehrt an den Nerven. Eine Vermeidungshaltung, also alles potenziell Gefährliche zu vermeiden kann sich einschleichen – lieber zu Hause bleiben und nix tun. Weiterhin baut sich der Körper sowieso durch die Inaktivität ab und irgendwann weiß mensch nicht mehr, ob das nun chronische Fatigue, akute Erschöpfung / PEM oder einfach nur ein schwacher Körper ohne Kondition ist.

Und das ist nur die körperliche Komponente. Emotionale Belastungen können Stress, Ärger, Angst sein – aber auch Freude oder Konzentration!
Es droht ein emotionaler Teufelskreis – Betroffene sind regelmäßig mit emotionaler Belastung konfrontiert, dann geht es schlechter, das kann traurig / wütend / emotional machen, was wiederum belastet und so weiter.

Ob es der Urologe ist, der plötzlich ohne Anamnese und Rücksprache eine Schizophrenie diagnostiziert, oder der Hausarzt der eine Depression sieht und Sport empfiehlt, die vielen Ämter und Versicherungen die erst mal blocken „ist nur psychosomatisch, kann voll arbeiten“, die Reha die mangelnde Mitarbeit vorwirft aber Aktivierung statt Pacing anwendet, oder oder oder – selten sind die Tage, an denen „das System“ uns nicht in die Fresse tritt. Ich schreibe das so profan, weil es so ist! Und solche Erlebnisse können einen Crash verursachen!

Meditation, Entspannungstechniken und Psychotherapie sind daher zentrale Bestandteile des „mentalen Pacings“. Gerade die Verarbeitung des Traumas ist außerordentlich wichtig, und die Meisten werden hier alleine gelassen. Dauernder Frust oder Angst um die Zukunft belasten, sie erzeugen Stress und lassen „die Nerven“ nicht zur Ruhe kommen. Wer es da nicht schafft, sich aus den Frust- und Erregungsspiralen zu befreien läuft Gefahr, sich eine chronische ME/CFS einzufangen oder zumindest eine potenzielle Besserung zu verzögern.