Bei manchen Personen sind Bestandteile von Sars-CoV-2 noch Monate nach der akuten Infektion im Körper nachweisbar.

Doch ob und vor allem wo es ein Virusreservoir gibt, das für Long-Covid-Symptome verantwortlich ist, ist noch unklar.

Außerdem gibt es Hinweise auf eine andauernde Präsenz von Sars-CoV-2 in Form eines Virusreservoirs im Körper. Das sind entweder vermehrungsfähige Coronaviren oder Teile davon, also RNA oder Virusproteine, die sich dauerhaft im Körper „versteckt“ haben. Ihre Anwesenheit soll nach dieser Theorie mitverantwortlich sein für die anhaltenden, zum Teil schweren Symptome.

Renommierte Long-Covid-Forscher:innen wie Petter Brodin (Karolinska-Institut in Stockholm) und Akiko Iwasaki (Yale University, New Haven) haben jetzt in einem Artikel im Fachmagazin The Lancet Infectious Diseases zusammengetragen, was über ein mögliches Corona-Virusreservoir bekannt ist, wie man dagegen medikamentös vorgehen könnte und welche Studien weltweit bereits laufen, um Long-Covid-Patient:innen behandeln zu können.

Die offene Frage nach dem richtigen Zeitpunkt der Behandlung führt auch Winfried Kern ins Feld: Möglicherweise hielten sich die Coronaviren bei manchen Betroffenen drei, vier oder gar fünf Monate im Organismus auf. Doch danach würde das Virus verschwinden. Aber der lange Aufenthalt im Körper hinterlasse Schäden, spürbar in Form der bekannten Long-Covid-Symptome: „Das sind Schäden im Gewebe, die sich kaum wieder reparieren lassen“, erklärt Kern. Wenn man nach 18 oder gar 24 Monaten Long-Covid-Patient:innen mit antiviralen Medikamenten behandele, könne die Therapie ins Leere laufen: „Einfach, weil gar kein Virus mehr da ist.“


Hürden für die wissenschaftliche Klärung und Versorgung der Patient:innen

 

Winfried Kern jedenfalls hat in einer Untersuchung von mehr als 100 Patient:innen, die unter Langzeitfolgen nach einer Coronainfektion leiden, keine Hinweise auf eine fortbestehende Virusinfektion, Viruspersistenz oder Virusproteine oder RNA im Blut der Betroffenen gefunden. Gewebeproben seien allerdings nicht genommen worden, so Kern.

Seine Arbeitsgruppe am Uniklinikum Freiburg verfolgt eine andere Hypothese zur Entstehung von Long Covid: „Unserer Ansicht nach könnte die Ursache für die Symptome in Schädigungen des Nervensystems durch das Virus direkt oder die Auseinandersetzung mit der Körperabwehr.“ Das mitbetroffene autonome Nervensystem ist über zahlreiche Regelkreise an der Steuerung lebenswichtiger Körperprozesse wie Blutdruck, Stoffwechsel, Verdauung, Atmung usw. beteiligt. „Die Symptome von Long Covid, wie eine eingeschränkte Belastbarkeit, Probleme bei der Regulation von Atmung und Puls, aber auch der Konzentration, könnten mit Läsionen im Bereich des Nervensystems zu tun haben, die auch ohne Anwesenheit des Virus fortbestehen“, so Kern.

Doch dem Freiburger Mediziner geht es mit seiner Hypothese ähnlich wie den Verfechter:innen der Virusreservoir-Idee: „Es ist sehr schwer, das wissenschaftlich einwandfrei zu bestätigen, und nicht einfach, klare Forschungsergebnisse zu erzielen“, räumt Kern ein.