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Die DGN veröffentlichte ein kurzes Papier „zum aktuellen Forschungsstand“, in dem sie immunologische Ursachen als nicht entscheidend bewertet und fordert, Forschung solle stärker auch psychische und psychosomatische Ansätze berücksichtigen. Besonders umstritten: Die Stellungnahme enthält keine einzige Quellenangabe.
Das führte zu heftigen Reaktionen. Betroffenenverbände und Fachleute wie die Immunologin Carmen Scheibenbogen warfen der DGN vor, wissenschaftliche Erkenntnisse auszublenden und potenziell schädliche Therapien zu legitimieren. Sie sehen die Fachgesellschaft „hinter dem internationalen Forschungsstand zurück“. Tatsächlich mehren sich Studien zu organischen Befunden – etwa zu Autoantikörpern, Durchblutungsstörungen, Nerven- und Muskelschäden –, die eine körperliche Ursache stützen.
Politisch fällt die Debatte in eine Zeit größerer Aufmerksamkeit: Nach dem Suizid einer ME/CFS-Betroffenen fordern Patient*innen und Politiker*innen mehr Unterstützung und Forschungsförderung. Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte eine Milliarde Euro für Therapieforschung ins Gespräch gebracht.
Die DGN wiederum betont, der Krankheitsname „ME“ sei irreführend, da keine Enzephalomyelitis nachweisbar sei – was viele Betroffene als Bagatellisierung erleben. Insgesamt gilt die Stellungnahme daher als Rückschritt und hat die Spannungen zwischen Neurologie, Patient*innen und Forschungsgemeinschaft weiter verschärft.
In einem Interview mit RiffReporter reagiert der DGN-Generalsekretär Peter Berlit auf die Kritik:
Er betont ausdrücklich, dass ME/CFS keine rein psychosomatische Erkrankung sei, sondern ein komplexes, postinfektiöses Syndrom mit vielfältigen organischen Befunden (z. B. Durchblutungsstörungen, Mitochondrienschäden, Nervenfaserdefekte). Gleichzeitig verteidigt er, warum die Stellungnahme ohne Quellen erschien (Dringlichkeit wegen Suizidfällen) und warum die DGN vorsichtig bleibt: Es fehle ein eindeutiger Biomarker, viele immunologische Befunde seien bislang nicht reproduzierbar. Berlit fordert eine ganzheitliche Versorgung (inklusive psychischer Mitbetreuung) und schlägt spezielle ME/CFS-Teams vor, ähnlich wie in der Palliativmedizin. Er distanziert sich von Neurologen wie Christoph Kleinschnitz, die ME/CFS als „nicht-somatisch“ bezeichneten, und sucht den Dialog mit Patient:innenorganisationen.