Vitamin B3 fördert Erholung

Eine vierwöchige Studie mit 900 COVID-19-Patienten zeigte, dass tägliches Nicotinamid (1 g Vitamin B3) die Erholung der körperlichen Leistungsfähigkeit gegenüber Placebo deutlich beschleunigte. Es beeinflusste zudem den Stoffwechsel des Darmmikrobioms und reduzierte teils Post-COVID-Symptome nach sechs Monaten. Nebenwirkungen waren meist mild (v. a. Magen-Darm).

AI-Zusammenfassung des Artikels „Nicotinamide modulates gut microbial metabolic potential and accelerates recovery in mild-to-moderate COVID-19“ aus  Metabolism (2025)

 

Hintergrund und Zielsetzung

  • Bei COVID-19 wird häufig ein Mangel an NAD⁺ (Nikotinamidadenindinukleotid) beobachtet sowie eine veränderte Tryptophan-Verstoffwechslung und Dysbiose des Darmmikrobioms, was mit schwereren Krankheitsverläufen in Verbindung gebracht wird. ()
  • Nicotinamid (eine Form von Vitamin B3) ist ein Vorläufer von NAD⁺ und könnte durch Auffüllen des NAD⁺-Pools und Modulation von mikrobiellen Stoffwechselaktivitäten die Erholung bei COVID-19 fördern. ()
  • Die Studie untersucht eine 4-wöchige Intervention mit 1.000 mg Nicotinamid in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie (n = 900) bei symptomatischen COVID-19-Patient:innen im ambulanten Setting. ()

 

Studiendesign & Methoden

  • Es wurden zwei Studien durchgeführt: eine Pilotstudie (COVit-1) und die größere Hauptstudie (COVit-2). ()
  • In COVit-2 erfolgte die Verabreichung von täglich 1 g Nicotinamid (teils sofort freisetzend, teils ileokolonisch) vs. Placebo, über 4 Wochen. ()
  • Einschlusskriterien: PCR-positiv, ≤ 7 Tage nach positiver Testung, mindestens ein COVID-Symptom zum Zeitpunkt der Randomisierung. ()
  • Primärer Endpunkt: Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit (performance drop) bis Woche 2. ()
  • Sekundäre Endpunkte: Erholung bei der Fähigkeit, normale Aktivitäten auszuführen, Auflösung von Husten, Fatigue etc. ()
  • Außerdem wurde in Subgruppen eine Analyse der Darmmikrobiota (16S-rRNA und Metagenomik) durchgeführt, um funktionelle Veränderungen zu untersuchen. ()
  • Langzeit-Follow-up nach 6 Monaten bezüglich Post-COVID-Symptomen (Post-COVID-Syndrom, PCS) wurde ebenfalls untersucht. ()
  • Sicherheit und unerwünschte Ereignisse (Adverse Events, AEs) wurden laufend erfasst. ()

 

Hauptergebnisse

Klinische Wirksamkeit

  • Bis Woche 2 erholten sich 57,6 % der Nicotinamid-Gruppe von ihrem Leistungsabfall, gegenüber 42,6 % der Placebo-Gruppe (absolute Differenz ~15 %, P = 0,004). ()
  • Der Unterschied ergibt eine „number needed to treat“ (NNT) von 7. ()
  • Die Fähigkeit, normale Alltagsaktivitäten auszuführen, verbesserte sich ebenfalls signifikant schneller in der Nicotinamid-Gruppe (Unterschied von 0,45 Skalenpunkten, P = 0,009). ()
  • Bei den sekundären Endpunkten (z. B. Husten, Fatigue) zeigten sich teilweise Trends zugunsten Nicotinamid, aber nicht alle erreichten statistische Signifikanz. ()
  • In einer explorativen Auswertung zeigten Personen mit Verbesserung in der akuten Phase und erhöhtem Risiko für PCS nach 6 Monaten geringere Post-COVID-Symptome in der Nicotinamid-Gruppe gegenüber Placebo (Differenz PCS-Score: –3,49, P = 0,010). ()

Mikrobiom / Mikrobiota-Funktionen

  • Die Zusammensetzung (Taxonomie) des Darmmikrobioms veränderte sich nur subtil (keine großen Unterschiede der α-Diversität), aber in der zwischen-Proben-Diversität (β-Diversität) zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen im Verlauf (PERMANOVA, FDR korrigiert) — wenn auch mit geringer Effektstärke. ()
  • Die funktionelle Metagenomik zeigte, dass in der Placebo-Gruppe zu Woche 2 vermehrt Mikrobiom-Pfade für Aminosäurebiosynthese (z. B. Tryptophan, Lysin) sowie NAD⁺-Salvage- und Redoxpfade aktiviert waren, im Vergleich zur Nicotinamid-Gruppe. Dies deutet darauf hin, dass Nicotinamid eine kompensatorische Upregulation dieser Wege im Mikrobiom verhindert. ()
  • Wenn man das Mikrobiomprofil dieser Studie mit öffentlichen Daten von COVID-19-Patient:innen vergleicht, zeigen sich Überschneidungen in ~43 Stoffwechselwegen (z. B. Cofaktor-, Nukleotid-, Aminosäure-Metabolismus), wobei das Nicotinamid-Mikrobiom funktionell eher Richtung gesunder Kontrollen tendierte. ()

Sicherheit

  • Unerwünschte Ereignisse (AEs) traten bei ~70,8 % der Nicotinamid-Gruppe und 65,7 % der Placebo-Gruppe auf (nicht signifikanter Unterschied). Die meisten AEs traten früh auf und waren im Wesentlichen mit der COVID-Infektion assoziiert. ()
  • Es gab einen Trend zu mehr gastrointestinalen Beschwerden in der Nicotinamid-Gruppe (25,2 % vs. 17,7 %), aber diese waren mild und erforderten keine spezielle Behandlung. ()
  • Es wurden 7 Hospitalisierungen (keiner mit Todesfall) registriert, diese wurden als nicht mit dem Studienmedikament assoziiert bewertet. ()

 

Diskussion & Interpretation

  • Die Autoren sehen die Studie als ersten Beleg dafür, dass Nicotinamid eine symptomatische Therapieoption bei milden bis moderaten COVID-19-Verläufen sein könnte, indem es die Erholung körperlicher Leistungsfähigkeit beschleunigt. ()
  • Die Wirkung könnte sowohl systemisch (Überführung in NAD⁺) als auch über den Darm (Modulation des Mikrobioms und damit mikrobiotischer Metabolite) vermittelt sein. ()
  • Die interventionellen Effekte auf das Mikrobiom waren funktioneller Natur stärker ausgeprägt als taxonomisch: d. h. das Mikrobiom änderte weniger in der Zusammensetzung, aber in den Stoffwechselkapazitäten. ()
  • Die Studie hat Einschränkungen:
    Sie wurde in einer ungeimpften Population mit Virusvarianten Alpha/Delta durchgeführt — Übertragbarkeit auf gegenwärtige Varianten und geimpfte Personen ist unklar. ()
    • Die Quarantänebedingungen verhinderten Messungen objektiver Lungenfunktion oder Arbeitsfähigkeit. ()
    • Die Anzahl an Fällen mit schwerem Post-COVID (PCS) war gering, was die Schlussfolgerungen über Langzeitwirkungen limitiert. ()
  • Die Autoren empfehlen weitere Studien, insbesondere um den Beitrag der Darmfreisetzung vs. systemischer Lieferung von Nicotinamid besser zu unterscheiden und Mechanismen zu klären. ()
  • Sie schlagen zudem vor, dass Nicotinamid auch in anderen Zuständen mit gestörter Tryptophan-/NAD⁺-Homöostase (z. B. andere Atemwegsinfektionen) untersucht werden sollte.