Ergebnisse
Im vierten Jahr nach Pandemiebeginn fehlt es nach den Erfahrungen von Long-COVID-Betroffenen an Versorgungsstrukturen und kompetenten Ansprechpartnern aufseiten der Leistungserbringer und Leistungsträger. Spezialambulanzen für postvirale Syndrome sind für die Mehrheit der Befragten entweder nicht erreichbar, nehmen keine neuen Patienten auf oder haben Wartezeiten von bis zu zwei Jahren. Abgesehen davon, dass es bislang keine ursächlich wirksamen Therapien für postvirale Syndrome gibt, berichten 85% der Befragten, dass medizinische oder soziale Ansprechpersonen nicht ausreichend über das Krankheitsbild informiert sind. 80% geben an, dass ihre Symptome nicht ernst genommen und/oder als psychosomatisch eingestuft wurden. In der Folge werden Betroffene nicht oder falsch behandelt und/oder erhalten keine angemessenen Sozialleistungen. 56% der Teilnehmenden berichten über eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands aufgrund ärztlich verordneter oder empfohlener Untersuchungen oder Behandlungen. Die Psychologisierung postviraler Symptome wird als stigmatisierend und als Hauptursache für die prekäre Versorgungssituation von Menschen mit Long COVID beschrieben.
Diskussion
Die Studie zeigt, dass es für postinfektiöse Erkrankungen bislang keine adäquaten Versorgungskonzepte und -strukturen gibt und dass aktivierende Therapien, meist im Zusammenhang mit der Annahme einer psychosomatischen Genese, zu einer maßgeblichen Fehlversorgung führen. Besonders dramatisch ist der Befund, dass sich die Mehrzahl der Befragten durch die behandelnden Ärztinnen bzw. Ärzte geschwächt, beschämt oder geschädigt fühlt. Die Daten geben zudem Hinweise auf eine systematische Stigmatisierung und Diskriminierung Betroffener. Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse ist limitiert.
Schlussfolgerungen
Um eine adäquate medizinische und soziale Versorgung von Long-COVID-Betroffenen zu gewährleisten, sind eine zügige Aus- und Weiterbildung aller beteiligten Akteure, die Entwicklung und der Ausbau spezifischer Versorgungsangebote sowie ein Monitoring der Versorgungsleistungen dringend erforderlich.